Ketose
Aufgrund ihres Vormagensystems haben Wiederkäuer einen anderen Kohlehydratstoffwechsel als Tiere mit einhöhligem Magen: Die Mikroorganismen im Pansen bauen alle Nährstoffe, auch Kohlenhydrate wie Stärke und Glucose (Trauben- oder Blutzucker), zu den kurzkettigen Fettsäuren Essigsäure, Propionsäure und Buttersäure ab. Ein Wiederkäuer muss deshalb jedes Gramm Blutzucker in der Leber selbst herstellen.
Ketose ist die Berufskrankheit hoch leistender Wiederkäuer, die nicht bedarfsgerecht gefüttert werden. Während die Milchkuh vor allem zu Beginn der Laktation Gefahr läuft, eine Ketose zu entwickeln- 20 l Milch entsprechen einem Kilogramm Glucose-, sind Schafe vor allem am Ende der Trächtigkeit betroffen. Dann nämlich, wenn die Feten beginnen, als Energiereserve für einen gelungenen Start ins Leben den Vielfachzucker Glykogen in der Leber einzulagern.
Wenn zuwenig Glucose dafür verfügbar ist, muss das Tier Körperfett abbauen, um an den kleinen Glycerinrest zu gelangen, der drei Fettsäuren zu einem Fettmolekül zusammenschweißt. Aus zwei Molekülen Glycerin kann ein Molekül Glucose synthetisiert werden.
Diese Methode ist so effizient wie die der Trapper im wilden Westen: Einen Büffel schießen, das Filet grillen, den Rest liegen lassen und weiterreiten. Nur dass das Schaf eben nicht weiterreiten kann…
Wie im Fall des Büffels ist aus einem wertvollen Reservestoff ein belastender Abfall geworden: freie Fettsäuren sind schlecht löslich und können nicht einfach über Darm oder Niere ausgeschieden werden. Ein vollständiger Abbau ist ebenfalls nicht möglich. Deshalb werden sie in so genannte Ketonkörper umgewandelt, von denen einer davon, das Aceton, jedermann als Nagellackentferner bekannt ist. Aceton wirkt zuerst lähmend, dann stimulierend auf das Gehirn und ist vermutlich für manche Vision fastender Asketen verantwortlich, ganz sicher aber für den abwesenden, manchmal wie narkotisierten Zustand eines ketotischen Mutterschafes.
Die Tiere liegen viel, stehen nur zögernd auf, wenn die ganze Herde an den Futterbarren stürmt, fressen deshalb zu wenig, geraten dadurch in ein noch größeres Energiedefizit, ein Teufelskreis, der unweigerlich zum Tod des Tieres führt.